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“Zhuo Wang”, das Sitzen in Vergessenheit (die Meditation)
 
Sitzen Zuo
Das Zeichen für „sitzen“, „meditieren“ zeigt zwei Menschen, die einander zugewandt auf dem Boden sitzen. Wer mit der Meditation beginnt, der sitzt zu Beginn der Übung seinem Lehrer
(Meister/Meisterin) gegenüber, wie es die beiden abgebildeten Menschen tun. Meditation bedeutet ganz einfach auf dem Boden sitzen.

Es gibt kein großartiges Wort für „Meditation“. Obwohl die Alten Meister lehrten, daß „das Sitzen von essenzieller Bedeutung“ ist,
nannten sie es einfach „Sitzen“; und sie saßen ganz simpel auf dem Boden, nicht etwa auf den erhöhten Sitzgelegenheiten der Zivilisation-, sie saßen auf der
nackten Erde, die uns ohne Vorbehalte nährt und von sich gibt.
Am Ende eines mühevollen Tages mit Arbeiten auf den Feldern oder Wanderungen in den Bergen,
saßen die Alten Meister allein und zurückgezogen in der Stille. Sie hatten die Härten der Natur ertragen und auch von ihrer Fülle profitiert.
Ruhe und Entspannung ist nötig für den Körper, Ruhe und Kontemplation ist wichtig für den Geist. Die Ruhe hilft, das Vergehen der Zeit zu absorbieren. Sie hilft, den Aufruhr durch
den Arbeitsalltag zur Ruhe zu bringen; sie hilft zur stillen Reinheit zurückzukehren, welche „der Weg [Tao]“ genannt wird.
Wenn wir meditieren wollen, brauchen wir nur zu sitzen und still zu werden. Gewiß, es wurden ausgeklügelte Meditationsmethoden entwickelt, jedoch nur deshalb,
weil die Psyche der sogenannten „zivilisierten Menschheit“ so komplex geworden ist. Die Alten Meister wussten, daß Meditation keine komplizierte Angelegenheit sein muß.
Aus diesem Grund hatten sie kein Interesse daran, sich einen besonderen Namen für das „Sitzen“ einfallen zu lassen. Es ist „nur Sitzen“, so wie alle es nach einem
langen Arbeitstag tun. Mehr ist letztendlich nicht nötig, um uns in die große Tiefe der Meditation zu versenken.
So heißt es denn: „Der Weg[Tao] ist immer für uns da.
Das war nie anders, wird nie anders sein. Wir brauchen uns nur die Zeit zu nehmen, still zu sein, um dies wieder einmal zu erkennen.“
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Wang Vergessen
besteht aus den beiden Zeichen „fliehen“ und „Herz/Gefühl“. . Unten befindet sich das Zeichen für „Herz“ („Herz“ xin und „Geist“ shen
werden nicht getrennt voneinander betrachtet. Über dem Zeichen für „Herz“ befindet sich das Lautzeichen für „vergessen“, „zugrunde gehen“, „enden“. Der Haken stellt „das Versteck“ dar.
Die Bedeutung ist: „der Geist hat aufgehört zu agieren, daß heißt er erinnert sich nicht mehr.“

Die Ehrgeizigen versuchen jeden Tag, mehr und mehr hinzuzufügen; der der sich „auf den Weg begibt“,
dem Tao folgt, sucht täglich mehr und mehr zu reduzieren.
Lao-Tze, der Alte Meister sagt im Vers 48 (Version nach Hogan):
“Normalerweise versuchen wir jeden Tag etwas neues hinzu zu lernen. Aber, wenn wir auf dem rechten Weg sind, müssen wir jeden Tag mehr loslassen. Wir tun weniger und weniger,
bis wir vom Tun beim Nicht-Tun angekommen sind. Und wenn wir beim Nicht-Tun angekommen sind, ist das nicht so, daß wir unsere Arbeit nicht erledigt hätten. Lass die Ereignisse ihren Lauf nehmen,
und alles dreht sich zu unseren Gunsten. Doch folgst Du nur Deinen ehrgeizigen Bestrebungen, findest Du aus dem ganzen Schlamassel nie raus.”
Ein alter Lehrspruch der Meister vom Hua-Shan drückt folgendes aus:
“Wenn Du meinst, dem „Weg zu folgen“ bedeutet, auf Drachen zu reiten und auf Kranichen zu fliegen, dann gehe lieber zu Fuß.
Wenn Du meinst, dem „Weg zu folgen“ bedeutet,
ein Elixier der Unsterblichkeit zusammenzubrauen, dann achte einfach darauf, was Du isst.
Wenn Du meinst, dem „Weg zu folgen“ bedeutet, nur Bücher zu lesen, dann solltest Du nie ohne ein Buch auf Reisen gehen.
Wenn Du meinst, „dem Weg zu folgen“ bedeutet, zu debattieren, Streitgespräche zu führen, dann solltest Du lieber den Mund halten.
Wenn Du meinst, dem „Weg zu folgen“ bedeutet,
kunstvolles Geschmeide und wallende Gewänder zu tragen,
dann solltest Du besser nackt sitzen.
Wenn Du glaubst, um „dem Weg zu folgen“
bräuchtest Du eine „Einweihung“, ein Kloster oder einen Tempel, dann solltest Du Deinen Blick weiten.“
Viele Menschen begeben sich mit überaus romantischen Vorstellungen auf den Weg zum Tao.
Doch diese stellen irgendwann eine große Behinderung dar. Daoistische Meister streben in der Regel ständig danach in sich selbst und in ihrem Leben für mehr Einfachheit zu sorgen.
Sie machen sich nichts aus ausgeklügelten Ritualen, phantastischen Gewändern und sie werden Dir auch weder ihre Namen noch ihr Alter, weder ihre Sektenzugehörigkeit noch ihre Herkunft verraten.
Nicht, daß sie es nicht wollten, nein sie haben es schlichtweg vergessen. Für den, „der auf dem Weg ist“, liegt das Streben nicht im Erwerb von mehr und noch mehr,
sondern darin, sich immer weiter zu reduzieren – bis er schließlich zur Einfachheit zurückgekehrt ist.
nach Deng Ming-Dao

Tao im Täglichen Leben [S. 72 / S. 336 ff.]
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